Immer mehr Patienten fluten die deutschen Notaufnahmen, aus unterschiedlichsten Gründen. Es gilt, die dringlich zu behandelnden Patienten zu identifizieren, was in den Notaufnahmen von Fachpflegekräften über Ersteinschätzungssysteme geschieht.
Gerade für Patienten, die mit weniger dringlichen Beschwerden erscheinen, können sich daraus bei hohem Auslastungsgrad der Notaufnahmen teilweise erhebliche mehrstündige Wartezeiten ergeben.
Pilotprojekte an anderen Kliniken haben gezeigt, dass bis zu 25 % der Patienten niedriger Dringlichkeitsstufen die Ressource Notaufnahme nicht benötigen und diese teilweise aus Unkenntnis bestehender anderer Strukturen, aus Mangel an Facharztterminen oder um die vorhandenen 24 stündigen Ressourcen einer Klinik wissend, aufsuchen.
Die 116 117 wählen
Momentan fehlt es in Deutschland noch an (verbindlichen, flächendeckenden) Steuerungsinstrumenten für diese Patientengruppe, die bereits vorhandenen Strukturen der Bereitschaftspraxen und deren telefonischem Patientenservice 116117 sind teilweise immer noch unbekannt.
Das Pflegeteam der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Landsberg unter der pflegerischen Leitung von Andreas Schollenberger hat jetzt ein Jahr lang Patienten der niedrigen Behandlungsdringlichkeiten, die aufgrund hoher ZNA Auslastung nach der Ersteinschätzung Wartezeiten in Kauf nehmen mussten mittels einer Wartebereichsumfrage zu unterschiedlichen Thematiken befragt, um herauszufinden, ob diese Erkenntnisse auch für die Notaufnahme in Landsberg zutreffen und ob sich Rückschlüsse auf Möglichkeiten zur Verbesserung der Patientensteuerung und damit Entlastung der Notaufnahme ergeben.
1457 Fragebögen ausgewertet
Die Umfrage fand statt vom 1.7.23 bis 30.6.24, für diesen Zeitraum hat Andreas Schollenberger 1457 Fragebögen ausgewertet, was 10% der über den Zeitraum eines Jahres im Klinikum Landsberg behandelten Patienten der niedrigen Dringlichkeitsstufen 4 und 5 entspricht.
Die Auswertung hat ergeben, dass die richtige Patientengruppe befragt wurde, da 86 % der Befragten unter 64 Jahre alt war, davon 61,5 % zwischen 16 und 64 Jahren. In dieser Altersgruppe überwiegt statistisch die Zahl der Patienten niedriger Dringlichkeiten.
Es nahmen etwas mehr Männer (53,8%) als Frauen (45,2%) an der Umfrage teil.
31,8 % der Patienten kamen nicht aus dem Landkreis Landsberg, sondern aus angrenzenden Landkreisen mit eigenen Zentralen Notaufnahmen.
41,1 % der befragten Personen sahen sich nicht oder eher nicht als Notfall, bei 77 % der Befragten bestand der Grund des Kommens weniger als 24 Stunden. Interessanterweise sahen sich weit über 90 % der Befragten, deren Beschwerden länger als eine Woche bestanden als Notfallpatient, insgesamt war deren Anteil mit 5 % aber gering.
Jeder Zehnte befragte „Dr. Google“
Keinerlei eigene Maßnahmen zur Linderung ihrer Beschwerden vor Aufsuchen der Notaufnahme trafen 22 % der Befragten, und nur jeder zehnte Befragte benutzte im Vorfeld des Notaufnahme Besuchs „Dr. Google“ .
60% der Befragten versuchten im Vorfeld nicht eine andere ärztliche Struktur als die Notaufnahme zu kontaktieren, ebenso waren fast 40% der Patienten die Ärztliche Bereitschaftspraxis am Klinikum Landsberg und deren Öffnungszeiten unbekannt.
Die Bekanntheit der Telefonnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116117) war hingegen mit 67% deutlich höher.
Schlussendlich haben sich auch tatsächlich 66,7 % aller befragten Patienten aus eigener Entscheidung in die Struktur Notaufnahme begeben – hier ist das hohe Potential an zu steuernden Patienten und der Entlastung der Notaufnahme versteckt.
Da die Zentrale Notaufnahme in Landsberg räumlich sehr beengt ist, gibt es momentan viele Überlegungen, Synergien zu schaffen, um Patienten effizienter zu steuern und in die geeignete Versorgungsstruktur zu bringen.
Letztendlich wird hier aber nur der geplante Neubau der Zentralen Notaufnahme mit integrierter Bereitschaftspraxis und dem geplanten Facharztzentrum in Kombination mit digitalen Steuerungstools Abhilfe schaffen können, auch muss man abwarten, wie die Notfallversorgung in Deutschland im Zuge der geplanten Krankenhausreform zukünftig strukturiert werden soll, so Andreas Schollenberger.
Immerhin sahen 75,6 % der Befragten die Wartezeitinformationen in der Zentralen Notaufnahme als ausreichend an.