Kochen gegen den Schmerz: Nahrung kann ein Heilmittel sein

Fünf Männer und Frauen schnippeln eifrig Gemüse. Karotten zum Beispiel, Chicorée, Salat, Rotkohl, Paprika, Petersilie. Zwei weitere stehen am Herd und braten saftige Putensteaks an. Es duftet nach exotischen Gewürzen und frischen Vitaminen. Bald ist Mittagessenszeit. Marcel Gebauer, der stellvertretende Küchenchef des Klinikums Landsberg, kommt mit einem kleinen Rollwagen voll Bananen, Haferflocken und Nüssen angefahren.

Therapieprogramm im Interdisziplinären Schmerzzentrum

Wir befinden uns allerdings nicht in der großen Küche des Klinikums, wo jeden Tag geschäftiges Treiben an den Herdplatten herrscht. Stattdessen arbeiten hier gerade viele fleißige Hände in den Räumen des Interdisziplinären Schmerzzentrums, und zwar im Kurs „Kochen gegen den Schmerz“, der Teil des Therapieprogramms ist – für und mit den Patientinnen und Patienten.

Gesundheitsfördernde Gewürze

Priv. Doz. Dr. med. Johannes Fleckenstein, Leitender Oberarzt des Schmerzzentrums am Klinikum Landsberg, erklärt, was hier geschieht und warum: „Sowohl in der westlichen Ernährungswissenschaft als auch in der traditionellen chinesischen Medizin weiß man, wie gut sich die richtigen Lebensmittel auf die Gesundheit auswirken können. Die Ernährungstherapie kommt aber oft in einem Krankenhaus zu kurz – also haben wir uns ein Konzept dazu überlegt.“ Wir, das sind Dr. Fleckenstein, Marcel Gebauer vom Küchenteam und Elisabeth Maisa, die Diätassistentin des Klinikums. Gemeinsam haben sie beschlossen, das „Kochen gegen den Schmerz“ als festen Punkt ins Therapieprogramm der Männer und Frauen einzubinden, die aufgrund chronischer Schmerzerkrankungen in der Tagesklinik des Schmerzzentrums behandelt werden.

„Grundsätzlich geht es darum, gemeinsam und mit wenigen Lebensmitteln etwas Leckeres und Gesundes zu zaubern – und zwar nach vielen diätischen Grundprinzipien, die sich im Alltag praktisch umsetzen lassen“, so Dr. Fleckenstein, der sich speziell mit den Lehren der chinesischen Medizin intensiv befasst: „In der chinesischen Praxis gehören Körper und Geist zusammen, sie sind eins. Schmerzen entstehen, wenn die Energie nicht fließen kann. So wird dort zuerst die Ernährung, dann erst der Rest unter die Lupe genommen.“ Und man ist sich über die gesundheitsfördernde und schmerzlindernde Wirkungsweise gewisser Gewürze gewahr: In der traditionellen chinesischen Küche wird daher sehr häufig das Fünf-Gewürze-Pulver verwendet, bestehend aus Sternanis, Fenchelsamen, Zimt, Szechuanpfeffer und Nelken. Diese Gewürzmischung hat, so Dr. Fleckenstein, entzündungshemmende Eigenschaften sowie eine verdauungsfördernde und analgetische Wirkung – und außerdem antioxidative Eigenschaften.

Die Nahrung nicht nur als Sättigung zu verstehen, sondern auch als Heilmittel zu nutzen, sei das Bestreben der chinesischen Diätetik.

Aber auch der westliche Ernährungsansatz – in dem man um die positive Wirkung von Mikronährstoffen, Antioxidantien und Omega-3-Fettsäuren weiß –  wird in die Therapie integriert.

Frühlingsgemüse mit Ingwer und Kurkuma

Und so brutzeln nun besagte Putensteaks in der Schmerzzentrums-Küche in einer feinen Fünf-Gewürze-Marinade. Das Frühlingsgemüse wird mit Ingwer und Kurkuma verfeinert. Denn beides hat – bei regelmäßiger Verwendung – ebenfalls eine entzündungshemmende Wirkung, ebenso wie grüner Kardamom.

Wo es all diese Zutaten eigentlich zu kaufen gibt und wie sie einfach im Alltag verarbeitet werden können, das lernen die Patientinnen und Patienten im Therapieprogramm ebenso –  und nehmen das Angebot begeistert an. Gut gelaunt bereiten alle gemeinsam das gesunde Mittagessen vor, das sie sich danach im (zum Esszimmer umgebauten) Gymnastikraum des Schmerzzentrums schmecken lassen.

Energiebällchen nach dem Sport

Als Nachtisch gibt’s übrigens „Energiebällchen“ aus Haferflocken, Nüssen, Bananen, Kokosraspeln, Trockenfrüchten etc. – als kleines „Zuckerl“ nach getaner Arbeit oder nach dem Sport, wie Dr. Fleckenstein erklärt: „Das schmeckt lecker und gibt neue Energie – aber eben ohne entzündungsfördernde Lebensmittel wie zum Beispiel Zucker oder Weizenmehl!“

Denn auch das lernen die Männer und Frauen in dem Kurs: welche Nahrungsmittel alles andere als gesundheitsfördernd sind und nur in geringen Maßen zu sich genommen werden sollten (zum Beispiel auch Alkohol, rotes Fleisch etc.).

Diätassistentin Elisabeth Maisa schult die Teilnehmer nebenbei auch gleich in Sachen saisonale Lebensmittel, hat für alle einen eigenen Saisonkalender Obst und Gemüse mitgebracht.

Tolle Zusammenarbeit

Und Koch Marcel Gebauer gibt wertvolle Tipps, wie die Lebensmittel schmackhaft zubereitet werden können. Alle drei sind glücklich, dass der Therapieprogrammpunkt so großen Anklang findet und allen gleichermaßen Freude bringt. „Das ist hier eine echt tolle interdisziplinäre Zusammenarbeit“, freut sich Dr. Fleckenstein. Er hat noch viele weitere Informationen sowohl zur chinesischen als auch zur westlichen Ernährungswissenschaft/Diätetik auf Lager und freut sich schon auf das nächste „Schnippeln gegen den Schmerz“.