Zu früh geboren: Die Geschichte des kleinen Lukas

Ganz klein und zierlich liegt Lukas eingekuschelt in seinem Wärmebettchen. Die Hand seiner Mama Sonja berührt sanft seine Wange. „Er ist unser kleines Wunder“, sagt sie lächelnd. Ein Wunder, das sechs Wochen früher kam, als erwartet. Denn Lukas musste in der Schwangerschaftswoche 34+1 via Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden, wog bei der Geburt im Klinikum Landsberg nur 2200 Gramm. Er ist ein sogenanntes „late preterm“-Baby, ein spätes Frühgeborenes, wie Dr. Michael Steidl, leitender Oberarzt der Kinder- und Jugendmedizin, erklärt. Im Jahr 2024 wurden bis November bereits etwa 60 Frühgeborene im Klinikum Landsberg behandelt. „Als sogenannter  Perinataler Schwerpunkt versorgen wir Neugeborene ab der vollendeten 32. Schwangerschaftswoche und einem Geburtsgewicht von über 1500 Gramm.“

Zum Welttag der Frühgeborenen (17. November), soll stellvertretend für alle „Frühchen“ die Geschichte des kleinen Lukas und seiner Familie erzählt werden.

 

Das Wichtigste zuerst: „Lukas macht sich sehr gut“, freut sich Dr. Steidl gemeinsam mit den Eltern Sonja und Markus Schmid aus Hurlach und dem Pflegeteam der Frühgeborenenabteilung (Neonatologie) am Klinikum. „Anfangs brauchte er Atemunterstützung, weil er noch nicht genug Kraft für die Atemarbeit hatte. Inzwischen schafft Lukas das alleine“, so Dr. Steidl. Ein paar Schläuche, Kabel und eine Magensonde muss der kleine Junge noch erdulden, bis er ganz aus dem Wärmebettchen herausdarf und selbstständig trinken kann.

 

Lukas‘ Mutter Sonja darf ihn aber jetzt schon immer wieder auf dem Arm halten und erzählt gerührt, wie „besonders fürsorglich und lieb“ sich im Klinikum alle um sie und ihren kleinen Buben kümmern. Diese liebevolle Pflege und medizinische Betreuung brauchen beide nach dem überaus holprigen Start auch unbedingt:

 

Eigentlich sollte Lukas erst im Dezember geboren werden. Außer einer heftigen Schwangerschaftsübelkeit ging es seiner Mama die ganze Zeit über gut, wie sie berichtet. „Im August waren wir aber bei einer Feindiagnostikuntersuchung. Beim Doppler-Ultraschall wurde festgestellt, dass das zuständige Blutgefäß die Gebärmutter nicht gut genug versorgen kann.“ Dieser Befund wird in der Medizin ‚notching‘ genannt: Das Blut in der Arterie stößt auf einen erhöhten Widerstand und kann nur ungenügend weiterfließen. Eine sogenannte Schwangerschaftsvergiftung kann die Folge sein. „Deshalb musste alles sehr streng vom Frauenarzt kontrolliert werden. Es war aber alles immer gut, nichts war auffällig.“

 

Bis zum Donnerstag, 31. Oktober. Da quälten Sonja Schmid plötzlich stechende Schmerzen. Zuerst vermutete sie, dass es sich nur um Übungswehen handelte. „Aber dann wurden die Schmerzen extrem schlimm, vor allem am Oberbauch. Ich konnte nicht mehr liegen, sitzen oder stehen, der Blutdruck stieg und stieg. Und in der Nacht von Freitag auf Samstag ging es ins Klinikum“, erzählt sie. Von der Notaufnahme aus brachte man die werdende Mutter sofort in die Geburtshilfe. Nach Ultraschall und weiteren Untersuchungen war klar: Es handelte sich um eine angehende Schwangerschaftsvergiftung. „Meine Blutwerte wurden rapide schlechter, deswegen wollten die Ärzte nichts riskieren.“

 

Also erhielt Sonja Schmid vom Anästhesieteam eine Vollnarkose und Lukas wurde via Kaiserschnitt geholt. Am 2. November, um 12.04 Uhr, war der kleine Mann da. Seine Eltern bekamen den ersten Schrei ihres Babys gar nicht mit. „Ich wachte erst um 3 Uhr nachmittags aus der Narkose auf – die Schwester im Aufwachraum zeigte mir aber gleich ein Foto von Lukas, das war sehr süß“, berichtet die frischgebackene Mama zwei Tage später mit Tränen in den Augen. „Es war alles sehr schwer. Er ist unser erstes Kind. Ich hatte Angst um ihn, war selbst sehr schwach, wurde umfangreich medizinisch betreut und versorgt. Und ich weinte die ganze Zeit. Es war schlimm für mich, mein Baby nicht sehen zu können. Ich wollte nicht, dass er alleine ist.“

 

Alleine war Lukas natürlich nicht – das Team der Kinderstation war rund um die Uhr für ihn da, pflegte und wickelte den Kleinen, päppelte ihn auf. Über die Magensonde wurden ihm erste Muttermilch und Frühchennahrung zugeführt. Erst am späten Abend sah Sonja Schmid ihren Sohn zum ersten Mal, vorher hatte sie noch nicht die Kraft, aufstehen. Papa Markus durfte ihn am Wärmebettchen besuchen und wenigstens die Hand auf das kleine Bäuchlein legen. „Herausnehmen durfte man ihn anfangs noch nicht, weil er die Atemunterstützung bekam. Er hat zwar am Anfang geschrien, dann aber beim Atmen leicht geröchelt, weil es schwer für ihn war“, erzählt Sonja Schmid, sehr froh darüber, ihren Sohn so gut versorgt zu wissen.

 

Während das Team der Gynäkologie/Geburtshilfe zwei Tage nach der Geburt weiterhin dafür sorgt, dass sich die Mutter erholt, sich ihre Blutwerte verbessern und der Kreislauf stabiler wird, macht Lukas auf der Neonatologie große Fortschritte. „Bald können wir zusammen in einem Zimmer sein und richtig kuscheln“, freut sich Sonja Schmid, die ihren Kleinen so oft wie möglich auf der Kinderstation besucht und auf dem Arm hält, aber selbst noch viel Ruhe braucht. Gemeinsam werden sie noch einige weitere Tage im Klinikum verbringen, bevor die kleine Familie nachhause fahren kann. Und dort – wie auch schon jetzt im Klinikum – ist das Wichtigste: die Nähe. Denn das „Bonding“, der Körperkontakt zwischen Kind und Eltern, ist für den kleinen Lukas besonders essentiell. „Um trotz aller widriger Umstände zügig eine bestmögliche Ernährung des Kindes zu gewährleisten, haben wir in unserer Abteilung auch eigene Still- und Laktationsberater“, erklärt Dr. Michael Steidl, der in seinem Arbeitsalltag häufig Geschichten wie die von Familie Schmid und ihrem kleinen Lukas erlebt.

 

Normalerweise dauert eine Schwangerschaft 40 Wochen.  Kommt ein Neugeborenes vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt handelt, es sich um ein frühgeborenes Kind. Die Frühgeborenenrate in Deutschland liegt laut Dr. Steidl bei etwas mehr als 6 Prozent. „Bei unseren Patienten handelt es sich meist um späte Frühgeborene. Das sind Neugeborene, die nicht mehr schwerkrank im Inkubator liegen müssen. Trotzdem kommt genau diese Patientengruppe mit vielfachen Herausforderungen. Es sind scheinbar kleine Baustellen, die für die Kinder und Familien aber belastend sein können und den Krankenhausaufenthalt oft deutlich verlängern.“ Eine Atemunterstützung kann notwendig werden. Temperaturregulationsstörungen erfordern eine engmaschige Kontrolle und manchmal eine Lagerung in Wärmebettchen. Auch therapiebedürftige Neugeborenengelbsucht und Ernährungsprobleme stellen Eltern, Kinder und Pflege laut Dr. Steidl immer wieder vor große Herausforderungen. „Ab der vollendeten 35. Schwangerschaftswoche versuchen wir die meisten dieser kleinen ‚Stolpersteine‘ auf der Wöchnerinnenstation im Zimmer der Mutter zu behandeln. Wenn das nicht möglich ist,  werden die Neugeborenen auf der Kinderstation in eigens ausgestatteten Zimmern betreut. Je nach Krankheitsbild ist hier oft auch eine Mitaufnahme der Mutter möglich.“

Und genau darauf freut sich nun Sonja Schmid. Endlich ganz bei ihrem Lukas, ihrem kleinen Wunder, sein können.