Sein Vollbart ist sein Markenzeichen, seine Passion die Notfallpflege – und Heavy Metal. Andreas Schollenberger arbeitet seit 30 Jahren im Klinikum Landsberg. Und seit Kurzem ist er – nach sechs Jahren als Stellvertreter – der pflegerische Leiter der Zentralen Notaufnahme. Höchste Zeit also für ein Interview.
Der Schichtdienst gefällt ihm
Mit dem Zivildienst und dem freiwilligen sozialen Jahr fing Anfang der 1990er-Jahre alles an, wie Andreas Schollenberger erzählt: „In der Sozialstation St. Martin unter Frau Loy bin ich auf den Geschmack gekommen, in den Pflegeberuf zu gehen.“ Warum? Dafür nennt der 52-Jährige, der bekennender 1860 München- und HC Landsberg-Fan ist, einen überraschenden Grund: „Der Schichtdienst hat mir von Anfang an gefallen – ich bin nicht so der ‚9 to 5‘-Typ. Obwohl die Schichten natürlich auch kräftezehrend ein können.“ Aber nicht nur das hat ihn überzeugt – vor allem war und ist es bis heute der Kontakt mit den Menschen, die Arbeit im interdisziplinären Team, der gemeinsame Spaß an der Sache und natürlich der soziale Aspekt: „Es ist schön, Leuten mit einem medizinischen Problem helfen zu können, schnelle Erfolge zu sehen.“
Also bewarb sich Andreas Schollenberger vor 30 Jahren an der Berufsfachschule für Pflege (übrigens bei Reinhold Pschera, der vor kurzem nach 30 Jahren als Schulleiter in den Ruhestand ging).
Ein tolles Team
Nach der dreijährigen Ausbildung wollte der gebürtige Landsberger unbedingt im Heimatklinikum bleiben. In welchem Bereich war anfangs noch nicht klar. Bis ein weiterer Mann für die Notaufnahme, die damals noch aus einem ganz kleinen Team bestand, gesucht wurde. Also startete Schollenberger dort durch – „und bin bis heute hängen geblieben“, sagt er lachend, aber auch stolz: „In der ganzen Zeit habe ich alle wichtigen Entwicklungen im Gesundheitswesen begleitet. Und das Team der Notaufnahme war von Anfang an einfach super – mittlerweile besteht es aus 24 Personen. Es macht Spaß, mit so einer tollen, harmonischen Mannschaft zu arbeiten – trotz des stressigen, manchmal auch belastenden Alltags.“ Denn die Arbeitstage in einer Zentralen Notaufnahme (kurz ZNA) seien nicht planbar, man müsse spontan, flexibel und kommunikativ sein und Improvisationstalent mitbringen. Manchmal versucht der sympathische 52-Jährige auch, Ängste oder Unsicherheiten der Patientinnen und Patienten mit seiner typischen (schwarz)humorigen Art zu lösen oder zu aufzulockern. „Zynisch darf man aber natürlich nie sein.“
26.000 Patienten pro Jahr
Inzwischen führt Andreas Schollenberger das ZNA-Team als Pflegerischer Leiter – gemeinsam mit Stellvertreterin Martina Niedermeyer an seiner Seite. Bei rund 26.000 Patienten pro Jahr, die in die Landsberger Notaufnahme kommen, sind einige Herausforderungen zu stemmen: „Oft muss man sehr schnell handeln. Die Strukturierung, die Organisation des Tagesablaufs muss sitzen – das System der Ersteinschätzung funktioniert hierfür sehr gut.“ Dabei werden die eintreffenden Patienten in eine sinnvolle Behandlungs-Reihenfolge gebracht (je nach Dringlichkeit). Anspruchsvoll sei es auch, dass alle Patientengruppen – vom Kleinkind über Schwangere bis hin zu Senioren – die ZNA aufsuchen und alle aufgenommen werden müssen. „Man muss ein Gespür dafür haben, dass jeder Patient ein für ihn relevantes Problem hat, wenn er zu uns kommt. Das muss man versuchen zu lösen – selbst, wenn der Besuch der Notaufnahme aus medizinischer Sicht nicht zwingend notwendig gewesen wäre“, sagt Schollenberger.
Trotz oder gerade auch wegen der vielen spannenden Aufgaben brennt der dreifache Vater, dessen Frau Anita Schollenberger ebenfalls seit 27 Jahren im Landsberger Klinikum arbeitet, immer noch für seinen Beruf. „Die Zusammenarbeit mit den vielen internen und externen Schnittstellen ist sehr interessant, und gerade in der Leitungsposition ist es toll, dass man aktiv gestalten kann.“ Stillstand herrsche nie, man müsse immer am Ball bleiben, auf ständig laufende Änderungen schnell eingehen – deswegen seien Fortbildungen immer ein wichtiges Thema im ZNA-Team.
Die größte Herausforderung der nächsten Zeit werde sicher die Krankenhausreform sein, und weiterhin das Thema Personalgewinnung. „Wobei wir mit unseren Umbauplänen für die Zukunft gut gewappnet sind: Es wird eine ganz neue Zentrale Notaufnahme geben, viel größer und moderner. Dadurch haben wir die Chance, für die Landkreis-Bevölkerung eine super Notfallversorgung zu schaffen“, ist sich Schollenberger sicher.
Ganz wichtig ist ihm für die Zukunft eine enge Verzahnung im klinischen und außerklinischen Bereich (also mit Hausärzten, Rettungsdiensten, Bereitschaftspraxis etc.). und auch mit dem ebenfalls geplanten Facharztzentrum am Klinikum. Der pflegerische Leiter hofft, dass die Zahl der Patienten, die aufgrund fehlender Facharzttermine in die ZNA kommen, dann reduziert werden kann. „Denn die langen Wartezeiten in der Notaufnahme sind das größte Ärgernis für die Patientinnen und Patienten, die bei der Dringlichkeit eher niedriger eingestuft werden.“
Seine Frau arbeitet ebenfalls im Klinikum
Im Rückblick auf die vergangenen 30 Jahre ist für Andreas Schollenberger klar: „Heute herrscht ganz allgemein im Vergleich ein viel höherer Arbeitsdruck, und wir bekommen wegen des leeren Marktes immer weniger Personal für die Basis. In der Zentralen Notaufnahme hat sich aber auch vieles zum Guten geändert. Wir sind seit kurzem eine eigenständige Organisationseinheit unter der seit Jahren bewährten ärztlichen Leitung von Stefan Kozlik und mit einem tollen Kernteam – das ist super!“ Ganz allgemein würde er sich wünschen, dass den Notaufnahme-Teams und allen, die Patienten versorgen, mehr Verständnis, Respekt und Geduld entgegengebracht wird. „Ich bin auch ein Fan des Vorschlags, das Fach ‚Gesundheitskompetenz‘ an den Schulen und am Arbeitsplatz einzuführen.“
Und wie ist es eigentlich so, mit der eigenen Ehefrau im gleichen Haus zu arbeiten? „Das geht gut, wir laufen uns ja fast nie über den Weg, weil sie in einem anderen Bereich arbeitet. Daheim versuchen wir so wenig wie möglich über die Arbeit zu sprechen, was natürlich nicht immer gelingt“, erzählt der 52-Jährige schmunzelnd.
Erlebt hat Andreas Schollenberger in all der Zeit jede Menge, auch einige sehr lustige Anekdoten hat er auf Lager. „Fest steht auf jeden Fall, dass es viel mehr Höhen als Tiefen gab.“ Letztes Jahr musste er übrigens selbst einmal als Notfall in der Landsberger ZNA behandelt werden. „Wegen eines Bienenstichs mit anschließender Luftnot und Gesichtsschwellung, da war’s mir selbst tatsächlich mal richtig unwohl“, gesteht er lachend. Zum Glück sei er in guten Händen gewesen. „Die Kollegen haben mich sehr gut versorgt – aber nicht bevorzugt behandelt“, betont er.